Skandalöse Informationspolitik zum Wolf

Das männliche Elterntier „GW717m“ des Rodewalder Rudels soll entnommen werden. Diese Entscheidung teilte das niedersächsische Umweltministerium vergangene Woche mit.

 

Dem Wolf wurden bislang mehrere Risse von Nutztieren im Landkreis Nienburg nachgewiesen. Für die Entnahme wurde bereits eine Sondergenehmigung erteilt. Doch ob diese Sondergenehmigung rechtmäßig ist, bezweifelt der NABU. Dr. Holger Buschmann, Landesvorsitzender des NABU Niedersachsen, zeigt sich alarmiert: „Umweltminister Olaf Lies hält Informationen zurück, welche seine Entscheidung legitimieren könnten. Dies nicht nur im rechtlichen Sinne. Die Öffentlichkeit möchte auch über die sachlichen und fachlichen Abwägungen informiert werden. Derzeit entsteht der Eindruck, dass die Entscheidung politisch motiviert ist. Wir fordern den Minister daher auf, alle Fakten dringend auf den Tisch zu legen. Die aktuelle Informationspolitik des Umweltministeriums zur Entnahme des Wolfes ist skandalös, da sie in Kauf nimmt, dass die Emotionen sowohl bei Wolfsbefürwortern als auch bei Gegnern auf die Spitze getrieben wird.“

 

Paragraph 45 Abs. 7 des Bundesnaturschutzgesetzes regelt die Ausnahmegründe bei Nutztieren für die Entnahme eines Wolfes, die nur angewendet werden dürfen, wenn alle milderen Mittel ausgeschöpft worden sind:

 

1)    Abwendung erheblicher wirtschaftlicher Schäden

 

2)    Zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses

 

Von den bisherigen Aussagen des Ministeriums ist abzuleiten, dass mildere Mittel unzureichend in Betracht gezogen worden sind. Vergrämungsmaßnahmen wurden scheinbar nicht versucht, eine Begründung wurde dazu nicht geliefert. Eine Besenderung des betroffenen Rüden wurde anscheinend ebenfalls nicht versucht und ebenso fehlt eine Begründung dazu. Herdenschutzmaßnahmen wurden insbesondere bei betroffenen Rinderherden anscheinend nicht angewendet und auch bei Schafherden, wenn dies aus der offiziellen Rissstatistik des Niedersächsischen Landesbetriebes für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) so abzuleiten ist, anscheinend erst sehr zögerlich.

 

„Die auf der Homepage des NLWKN dargestellten Nutztierrisse im Landkreis Nienburg für 2018 weisen aktuell nicht auf einen der genannten Ausnahmegründe hin“, so Dr. Buschmann. Bei fast allen Nutztierrissen war kein Mindestschutz gemäß der Richtlinie Wolf vorhanden. Dem Argument, dass eine Herde als Grundschutz diene, und somit als wolfssicher anzusehen sei, erweist der NABU eine klare Absage. Hierzu müsste geklärt sein, welche Struktur und Größe eine Herde haben muss, um als Grundschutz ohne wolfsabweisende Zäune wirken zu können. Dies wurde bislang versäumt.

 

Weiterhin stellt sich die Frage des erheblichen wirtschaftlichen Schadens. Der NABU besitzt keine Kenntnis darüber, ob dieser vorliegt und wenn er vorliegen soll, wie dieser bemessen worden sein sollte. Ebenso verhält es sich mit den zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses. Dem NABU Niedersachsen erschließt es sich nicht, wie bei den bisher bekannten Daten diese zwingenden Gründe angenommen werden könnten.

 

Zweifelhaft bleibt auch, wie die anderen Tiere des Rudels vor einem Abschuss geschützt werden sollen. Laut Landespressekonferenz am 1. Februar 2019 besitzt der Rüde „GW717m“ Merkmale, welche eine eindeutige Zuordnung zulassen würden. „Äußerlich sind die Tiere aus der Entfernung aber nicht zu unterscheiden, zumal die Tiere Winterfell tragen und annähernd gleich groß sind. Daher dürfte das Tier ausschließlich in flagranti erschossen werden“, ergänzt Dr. Buschmann. Es fehlt zudem eine fachliche Abschätzung der Folgen, wenn der Leitrüde aus dem Rudel geschossen wird. Was bedeutet dies für die Rudelstruktur und kann dies tatsächlich Nutztierrisse verhindern, wenn nicht gleichzeitig die notwendigen Herdenschutzmaßnahmen ergriffen werden?

 

„Wir fordern den Umweltminister daher auf, die Öffentlichkeit umgehend sachgemäß über die Abwägungsgrundlage des Abschusses zu informieren. Dies ist bislang nicht geschehen und muss dringend nachgeholt werden, um die Spekulationen in den Medien und die fahrlässig vom Ministerium aufgeheizte Debatte bei den wolfsinteressierten Menschen endlich zu beenden,“ so Dr. Buschmann abschließend.